Aber was heißt denn zu dick und an welchen Stellen?
Ein kleiner "Weidebauch" bedeutet nicht unbedingt Übergewicht. Wie
ertaste ich eine Problemzone beim Pferd und welche Schlüsse ziehe ich daraus?
Viele Fragen wurden am Samstag auf der Ranch in Güterfelde aufgeworfen, und für
die Pferde der 18 Teilnehmer des Kurses "Pferde gesund und
leistungsfördernd ernähren" schlug am Schluss die Stunde der Wahrheit.
Jedes einzelne Pferd wurde begutachtet und das Ergebnis, zu dem die
Seminarleiterin und Tierärztin Dr. Kathrin Irgang kam, war weitgehend einhellig
und wenig überraschend: Fast alle stehen "zu gut" im Futter. Das
ergab der sogenannte "Body Condition Score", eine Bewertung des
Unterhautfettgewebes am Rumpf des Tieres. Kathrin Irgang tastet sich vom
"Kammfett" am Mähnenansatz über das Schulterblatt, die Rippen entlang
über den Hüfthöcker bis zum Schweifansatz vor. Mit geschulten Händen und
speziellen Maßbändern analysiert die Ernährungsexpertin vom ProSAANI Netzwerk
den Ernährungszustand und das Gewicht der Pferde.
Die meisten Besitzer schätzen den Bedarf ihrer Pferde nicht richtig ein. Eine
Schippe Hafer oder Pellets, unbegrenzt Heu, verschiedene oft überschüssige oder
überflüssige Mineralien, Karotten, Äpfel, Leckerlies - häufig ist es falsch
verstandene Zuneigung, die wir unseren geliebten Partnern zu teil werden
lassen.
Hand in Hand geht dies meist mit einer Überschätzung der sportlichen Leistung, die wir verlangen. In einem Experiment ließen Reiter beim Training ihre Uhr weg und sollten anschließend einschätzen, wie lange sie jeweils in jeder Gangart gearbeitet hatten. Das Ergebnis: fast alle hatten gefühlt viel mehr geleistet als in Wirklichkeit. Die meisten Freizeitpferde verrichten nur leichte Arbeit, werden aber oft wie Leistungssportler ernährt. Aber noch viele andere Faktoren fließen in die Berechnung der richtigen Futtermenge ein: ob Haflinger, Quarter Horse oder Andalusier – neben der Rasse bringen Alter, Haltung und Erkrankungen unterschiedliche Voraussetzungen bei der Futterverwertung mit.
Erschwerend kommt noch hinzu, dass sich die meisten Halter auf eine Schätzung der Futtermengen verlassen. Im Seminar konnten wir aber alle selber testen, wie schwierig es ist, eine genaue Einschätzung von Futtermengen zu geben. So wiegt ein Liter gequetschte Gerste 470 g, 1 Liter Pellets schon 700 g. Da nützt auch keine Kelle, sondern nur eine genaue Waage, um mit solch entscheidenden Unterschieden umgehen zu können. Auch die Maßeinheiten auf den Verpackungen lassen viele ratlos zurück. Die Reaktion ist dann oft ein "viel hilft viel " und das kann schließlich zu dramatischen Konsequenzen wie Hufrehe führen. Eine Verfettung findet meist über einen längeren Zeitraum statt und ist vom täglichen Blick somit schwer faßbar. Die günstigste Zeit zum Abnehmen für Pferde ist der Winter, weil dann die Futtermengen viel besser kontrolliert werden können als bei Weidegang. Generell muß ein Futterwechsel behutsam und über einen Zeitraum von mindestens 7-10 Tagen (beim Anweiden im Frühjahr auch länger) erfolgen, wobei nach und nach der neue Anteil eingeführt wird.
Die Experten des ProSAANI Teams sind sich einig:
Schätzen war gestern, Rationsberechnung ist zeitgemäß. Im Alleingang mit dem
Taschenrechner ist es mühsam und langwierig, die optimale Ration für sein Pferd
zu kombinieren. Professionelle Rationsberatung trägt langfristig zur
Gesunderhaltung und Leistungsbereitschaft des Partners Pferd und gezielte
Diätetik auch zur Genesung erkrankter Pferde bei.
Diese Veranstaltung wurde organisiert von der
EWU Berlin-Brandenburg
www.ewu-berlin-brandenburg.de